„Wann kommen die Hasen?“ will Pascal wissen.
„Das hast du doch schon vor 5 Minuten gefragt. Wenn du Karnickel willst, gehe in die Zoohandlung,“ werfe ich ihm entgegen.
Ich lache ihn aus. Dann dreht sich alles. Auch Pascal.
Der steht auf und geht zum Fenster. Er schiebt die Gardine zur Seite.
„Da sind Hasen. Wir müssen nur runter,“ behauptet er.
„Ja, runter. Wir müssen runterkommen. Was war das überhaupt?“ werfe ich ein.
„Keine Ahnung. Hat Spaß gemacht, oder?“
„Scheiße, ja. Und wie,“ antworte ich. Ich bin immer noch nicht ganz da. Ich will gar nicht wissen, was passiert, wenn ich aufstehe.
„Und was ist mit den Hasen? Wenn die Hasen nicht zu uns kommen, müssen wir doch zu den Hasen, nicht?“
„Können wir probieren. Aber lass das mit den Hasen,“ bitte ich.
„Warum? Hasen sind doch schön.“
„Hat mein Alter immer gesagt,“ werfe ich ein.
„Meiner ja auch. Deshalb sage ich das ja,“ rechtfertigt sich Pascal.
„Du hast deinem Alten den Schädel eingeschlagen,“ erinnere ich.
„Pssstt, kein Wort. Nicht, dass wir verwanzt sind,“ meint Pascal.
Er hat seinem Alten natürlich nicht den Schädel eingeschlagen. Es ist ein Spiel von uns. Wir stellen uns vor, wie wir Menschen aus unserer Vergangenheit quälen, die scheiße zu uns waren. Also nicht jeden.
Mamas natürlich nie. Aber Lehrer, diese Schulhofschnösel und Pascal eben seinen Vater.
Er hasst den. Kann ich verstehen. Der hat ihn immer angebrüllt. Auch vor Freunde und so. Selbst vor Weibern. Die wollten dann immer nicht mehr zu Pascal und Pascal konnte deshalb nicht bumsen. Deshalb würde er immer noch so früh kommen, weil er in seiner Jugend nicht trainieren durfte, behauptet Pascal. Und um zu trainieren, sucht er jetzt immer Hasen. Er hängt der Vergangenheit hinterher.
Wir stehen vor der Tür. Ich suche noch einmal nach Portemonnaie und Hausschlüssel. Ich klopfe meine Brust ab. Meine Hosentaschen. Fuck, wo ist Geldbörse und Schlüssel? Ah, ja, da.
Die Sonne blendet mich oder hat der dritte Weltkrieg begonnen?
Ich setze die Sonnenbrille auf. So eine ganz billige mit nem Wappen von nem Fußballverein. Dabei ist mir Fußball egal. Sport generell. Aber meine Netzhaut nicht.
Pascal läuft um ein Gebüsch. Er ist wie ein Köter.
„Kommt ihr Hasen, kommt, kommt,“ ruft er.
„Das sind doch keine Hühner,“ werfe ich ein.
„Doch Chicks,“ lacht er. Ich stimme ein. Manchmal reißt er doch einen.
„Und jetzt?“ will ich wissen. Mir ist langweilig. Ich sehne mich nach meinem Sofa und Bud Spencer Filmen. Oder Chuck Norris. Oder Full Metal Jacket. Dazu kaltes Bier und was Krautiges.
Aber Pascal ist zu nervös. Er ist zu untervögelt. Was stimmt mit dem nicht? Vielleicht brauche ich nen neuen Kumpel. Aber man gewöhnt sich ja aneinander. Vor allem nach so vielen Jahren.
„Auf zum Bus!“ brüllt er. Er läuft in Superheldenmanier vorweg.
Der Bus fährt gerade vor. Wir springen rein.
„Zweimal Stadtmitte,“ sage ich und werfe dem Busfahrer Euromünzen entgegen.
Plätze ganz hinten. Früher saßen dort die Coolen. Jetzt die Versager. Also wir. Scheiß drauf. Dafür habe ich keine Karre zum abzubezahlen.
An der nächsten Haltestelle steigen zwei Teenager-Gören ein. Pascal starrt sie an. Sie zeigen uns den Ficker. Warum werfen sie mich mit diesem Geistesgestörten in einen Topf?
„Lass die, die sind Kinder,“ sage ich zu laut zu Pascal.
„Fick dich, Opi,“ beleidigt mich eine der Gören.
„Ich wollte doch nur…“
„Geh zurück ins Altersheim,“ schleudert mir eine entgegen. Dann hält sie ihr Handy auf mich.
„Fuck, was soll das?“ will ich wissen.
„Fuck, was soll das?“ äfft sie mich nach. Sie lacht mit ihrer Freundin über mich.
„Was lacht ihr denn so?“ fragt Pascal.
„Halt die Fresse jetzt,“ fordere ich von ihm.
Ich habe schiss, dass er etwas sagen könnte, was die beiden Gören gegen ihn verwenden könnten. Ich kenne Pascal. Der denkt nie nach. Und ich kenne das Gesetz und den Shitstorm, den er im Netz ernten würde.
„Aber die beiden…,“ sagt Pascal. Er will etwas Ätzenden sagen. Ich springe auf. Ich küsse ihn. Scheiß egal. Hauptsache, er hält die Schnauze.
„Oh, zwei Schwuchteln. Wer ist der Mann? Ihr seht beide aus wie Tunten,“ beleidigen uns die Gören.
Fuck, ich würde so gern. Aber die beiden sind am längeren Hebel.
Endlich Stadtmitte. Endlich Ausstieg. Die Mädels bleiben im Bus. Sie zeigen uns beim Wegfahren noch ihre Smartphones. Darauf wir im Video. Knutschend. Das wird viral gehen. Zumindest unter diesen miesen Kids. Fuck. Niedergemacht von ein paar Teenie-Gören. Dazu noch in ein verdammtes Kaugummi gelatscht. Was für ein Abfuck.