Alles riecht nach Kacke. Nach nasser und fauliger Scheiße. So ein Schiss aus Tiefkühlpizza, Zwiebelringen, zu viel Bier und Nutella-Sandwiches. Ungesunder Müll halt, den der Darm rauspressen will. Und irgendwie werde ich den Geruch nicht los. Wie ein Abfalleimer. Ich kann nicht ändern, was ich bin. Ich kann es nur akzeptieren.

Ich gehe noch mal aufs Klo. Ich wische mir noch einmal den Arsch ab. Nicht das irgendwie was hängengeblieben ist. Sich hinter den Hämorriden versteckt hält. Aber nein, das Toilettenpapier bleibt blütenweiß. Es muss mehr ein bildliches Stinken sein. Weil ich mich dreckig fühle. So verlogen dreckig. So nutzlos dreckig. Halt so versoffen. Aber irgendwie kann ich dieses Gefühl noch nicht mit Erlebten zusammensetzen. Einfach, weil ich so einen miesen Filmriss habe. Alles noch so richtig abgefuckt fragmentarisch ist.

Gestern fand ich noch alles geil. Meine Gedanken. Meine Fresse und generell alles, was mit mir zu tun hat. Und alles andere war so winzig. So nichts.

Heute ist alles umgekehrt. Alles andersherum. Jetzt bin ich der Schmutz.

Deshalb will ich nicht vor die Tür. Das macht mir irgendwie Angst. Ist so bedrohlich laut und schnell und besser.

Aber ich muss. Die Maloche. Der Hunger. Der Alltag.

Wie kann man auch nur so dämlich sein und sich an nem Sonntag besaufen? Wie nur? Die Zeit hätte ich auch mit der Familie nutzen können. Mit dem Lütten mal Zeit verbringen. Oder mit der Frau nen Happen essen. Aber der Junge will eh nichts mehr mit dem Alten zu tun haben. Bin ihm peinlich. Und die Frau? Die redet darüber, was machen zu wollen. Und wenn wir dann was machen, redet sie nicht. Starrt nur herum, schweigt und stochert in nem Salat.

Okay. Gestern war Fußball. Dabei kotzt mich das Gekicke doch an. Aber Rocko hat gefragt. Und ich mag Rocko. Und im Stadion gibt’s immer Bier. Und ich mag Bier. Also bin ich mit Rocko dahin.

Keine Stehplätze. Wir haben gesessen. Da konnten wir gleich immer zwei Bier holen. Mussten ja weniger aufpassen. Die Biere konnten wir unter dem Sitz lassen. Und in 10 Minuten ist es unwahrscheinlich, dass so ein Bier von jemanden umgekippt wird. Ist in der Kurve schon wahrscheinlicher. Da hampeln ja alle rum wie die Kinder.

Vor der Haustür. Mein Nachbar redet mit mir. Er quatscht etwas von gestern. Ob es ein Elfer war. Ob die den Schiri geschmiert hätten. Und ob und ob und ob.

Ich habe keine Ahnung. Da war etwas. Da haben sich alle aufgeregt. Aber ich war lieber Bier holen und welches wegbringen. Und alle haben Geschrien. Wie die Affen. Und gepfiffen. Wie so ein ätzender Vogelschwarm.

Ich setze mich ins Auto. Er quatscht noch weiter. Alles dreht sich. Ich dürfte noch gar nicht. Aber ich muss. Will ja nicht unpünktlich sein. Bin eh schon drüber. Aber wegen den 10 Minuten wird schon keiner was sagen.

Sagt auch keiner. Auf Arbeit. Andy lässt seinen Frühschiss raus. Claudia quatscht mit Benno bei nem Kaffee und die anderen surfen so auf Seiten rum. Internetseiten, die man nur bei der Arbeit aufruft, weil sonst zu langweilig. Auch ich schaue kurz auf spiegel.de und Sportbild. Und die haben tatsächlich 1 zu 0 verloren wegen diesem Elfmeter. Und ich habe es nicht mitbekommen.  

Der Chef kommt. Er ist nicht so koksgutgelaunt wie sonst. Seine Alte hat ihm bestimmt keinen geblasen.

„Du hast noch die Nerven?“ fragt er mich.

„Wie?“ will ich wissen.

Mir platzt der scheiß Schädel. Ich rieche wie Kacke und jetzt will der Fatzke noch irgendetwas. Keine Ahnung was. Mir fällt es schwer, mich zu erinnern. Ist alles so vernebelt. Irgendwie habe ich Bock auf ne Kippe. Zeigt, dass es mir langsam besser geht. Wenn ich wieder rauchen kann, verschwindet der Kater. Ist immer so. Ist das wenig Gute bei mir und dem Kater. Gleicht aus, wie ich meinen Körper gestern gefickt habe.

„Komm mal mit,“ fordert er von mir. Er geht in sein Büro. Sein scheiß schneller Schritt kotzt mich an. Er ist so dynamisch. Dabei ist er so alt wie ich. Der Arsch muss sich den ganzen Tag zu ballern. Sonst wär der nicht so drauf. Sonst wär der nicht so gut. Das Zeug sollte ich auch nehmen. Aber ich mag Bier. Zumindest mochte ich es gestern. Heute dreht sich bei nem Gedanken an ein Pils schon der Magen um.

„Tür zu,“ befiehlt er gleich. Er hängt seinen Mantel auf.

„Dir ist klar, dass wir nicht mehr zusammen arbeiten können,“ wirft er mir vor.

„Was?“ ich verstehe nur Bahnhof.

„Keine Entschuldigung?“ fragt er nach.

„Für?“ stelle ich mich weiter doof. Ich bin ja auch doof und habe keine Ahnung, welcher Film hier läuft.

„Ich würde mein Kind ficken. Einmal über die ganze Tribüne hast du das gerufen. Mit Fingerzeigen,“ sagt mein Chef. Dann ist er wieder da. Dieser Film. Dieser Ausschnitt. Nicht gelöscht wie dieser Elfer. Abgespeichert und jetzt für immer. Scheiße. Was habe ich mir dabei gedacht? Keine Ahnung. Aber es ist gesagt. Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Und ganz ehrlich. Ich kann den penner nicht ab. Den brauche ich nicht. Sollen die mich doch rausschmeißen. Ach ne, können die nicht. Betriebsrat und so. Und dann soll er mal beweisen. Im Zweifel für den Angeklagten. Mal schauen, wie der Idiot das lösen will.

Er guckt mich erwartungsvoll an. Ich halte die Schnauze. Ich würde jetzt am liebsten kotzen. Und nicht wegen dem, was ich ihm an den Kopf geschleudert habe, sondern weil mir verdammt übel ist.

„Tatsächlich, kein Wort. Okay. Dann geh bitte nach Hause. Ich habe etwas zu klären. Mit der Personalabteilung. Mit dem Betriebsrat. Ich kann dich heute nicht sehen,“ sagt er. Er schaut wütend.

„Okay,“ sage ich. Soll ich ihn fragen, ob das bezahlt ist? Keine Ahnung. Auch egal. Ich kann zurück in die Koje. Und meine Alte ist Arbeiten und der Junge in der Schule. Sturmfrei. Auskurieren. Eigentlich sollte ich mir auf die Schulter klopfen.

„Arbeitsabbruch,“ schmeiße ich ner Kollegin entgegen. Sie nickt. Sie wäre auch lieber zu Hause.

Ich quäle mich in den Wagen. Ich fahre. Rot. Ich bremse scharf. Fast wäre ich dem davor hinten drauf geknallt. Die Türen gehen bei dem auf. Fahrer und Beifahrer. Erst werden die nach irgendeiner Macke suchen und dann nach Streit. Die sind so. Es ist ein Kerl und ne Tussi. Die freuen sich bestimmt jetzt schon, dass ich deren Mallorca-Urlaub finanziere. Aber nicht mit mir. Denen werde ich schon sagen, dass da nichts geknallt hat.

Der Kerl kommt direkt auf mich zu. Er klopft gegen das Fenster.

„Setzt dich wieder in deine scheiß Karre,“ werfe ich ihm entgegen. Ich gucke böse. So muss man mit nem Arsch umgehen. Gleich auf den Pott setzen. Vor allem vor seiner Alten. Dann wissen die gleich, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist.

Dann hält er mir was vor. Dann sagt er, was da steht. Er ist ein verdammter Bulle. Ich solle aussteigen. Ich solle Papiere zeigen.

„Haben Sie etwas getrunken?“ fragt er.

„Nicht heute,“ sage ich und lache. Er schaut mich erwartungsvoll an. Irgendwie schauen mich heute alle erwartungsvoll an. Ich will es anders machen als bei meinem Chef. Ich erzähle dem Bullen von gestern. Ich darf pusten. Verdammt. 1,7 Promille.

Ich darf nicht weiterfahren. Und meinen Lappen werde ich auch abgegeben müssen. Die Polizistin fährt meinen Wagen an den Straßenrand. Dann muss ich mich zu denen in den Wagen quetschen. Die bringen mich nach Hause und sacken meinen Führerschein ein. Was für ein Horror.

Und der Horror geht weiter. Meine Frau ist schon da. Ihre Karre steht auf der Einfahrt. Die wird Alarm machen. Das wird gleich Vorwürfe hageln. Gestern gesoffen und auf dem Sofa gepennt. Heute mit den Bullen zurück. Von der Arbeit ganz zu schweigen. Darüber darf ich kein Wort verlieren.

Sie ist nicht allein. Ihre bescheuerte Freundin ist dabei. Die immer alles besser weiß, weil sie besser ist. Sie arbeitet beim Steuerbüro. Deshalb hält sie sich für gerissen.

„Das passt. Wir wollten gerade zu Ihnen,“ wirft die Freundin den Bullen entgegen.

Dann sehe ich meine Frau. Sie sieht mich an. Sie ist nicht wütend. Sie hat Angst. Ich weiß nicht warum. Ich sehe nur ihr blaues Auge. Und hinter ihr der Junge. Er hat eine aufgeschlagene Lippe. Er versteckt sich am Rockzipfel seiner Mutter. Sein Blick schon fast panisch.

Es schießt durch meinen Schädel. Es ist zurück. Gestern. Der Elfmeter. Mein Chef. Alles, was ich danach getan habe.