Ich stecke mir noch eine an. Wie alle. Wir rauchen immer zwei. Immer. In der Hoffnung, dass das Nikotin nicht verfliegt. Die Wirkung im Körper bleibt. Diese Schwere ausbleibt. Dieses zerdrückt werden. Dieses alles wahrnehmen.

Nach dem vor drei Jahren Jörn die letzte Kippe geraucht hatte, hat er uns immer vollgequatscht, dass er alles besser riechen könne. Erdbeeren so ganz anders schmecken. Schokolade und Hamburger sowieso.

Trotzdem hat er sich die Rübe weggeballert. Mit nem Jagdgewehr von seinem Alten. Die Kugel ist direkt durch seinen Schädel. Deshalb war er erst nur Hirntot. Die haben die Geräte nach drei Wochen abgestellt.

Ich war hin. Noch mal zwei drei Worte am Bett zu ihm. Sah aus, als würde er schlafen. Wie nach ner Pulle Jim Beam auf meinem Sofa.

Hätte er weitergeraucht, er würde noch leben. Scheiße. Und das alles wegen seines Jobs. Weil er den Alten nicht mehr schneller den Arsch abwischen wollte. Er wollte wenigstens etwas mit denen reden. Jörn konnte schon immer gut mit den Alten.

Ich nur beim Schlachten. Da konnte ich lernen. Dann musste man nur zusehen und etwas zuhören. Aber da haben die Alten wenigstens nicht so ein erhabenes Zeug von sich gegeben. Sondern Informationen.

Wie man so einem Karnickel den Hals umdreht. Wo man den Bolzen bei nem Rind ansetzt. So ein Vieh soll ja human verrecken. Man hat es ja ein paar Monate bei sich gehabt. Gehörte sozusagen zur Familie. Da will man es nicht unnötig quälen. Sagten die Alten.

Konnte ich nachvollziehen. Niemand will Qualen erleiden. Deshalb sauber tot machen. Und schnell.

Danach gab es immer die erste Runde Schnaps. Bier sowieso zwischendrin. Hat Spaß gemacht.

Schlachten und Wurstmachen war schon immer mein Ding. Vor allem in der Gemeinschaft. So zusammen etwas schaffen. Und das auch noch über die Generationen hinaus. Man hatte ja sonst nichts gemeinsam und hat es auch heute nicht.

Nur beim Essen, da sind wir alle gleich. Haben ja alle Hunger. Da haben wir alle Geschmack. Und wenn es der gleiche ist, dann spielt das Alter auch keine Rolle.

So bin ich Schlachter geworden. Oder Metzgermeister. Beim Hofstätt Junior gelernt und als der dicht machen musste, musste ich halt hier hin. Auf diesen verdammten Schlachthof. Die brauchten nen Teamleiter. Einen mit Erfahrung. Einen der deutsch kann. Der mit denen da oben reden kann.

Mein Team besteht nur aus einem Deutschen. Aus mir. Die anderen sind Rumänen oder Bulgaren oder so. Keine Ahnung. Die verstehen keine Sprache von hier. Also keine mit Worten. Nur mit dem Körper. Zeichen und so. Und ich zeige denen jetzt, dass wir die Kippen fallen lassen.

Wir machen weiter tot. Die nächsten Schweine stehen an. Die wollen in die Kammern. Das übliche Desinfizieren und dann geht’s weiter.

Es quickt. Dann nicht mehr. Unser Zeichen. Es ist die Stille, die unser Startsignal ist. Dann rattert es. Und sie kommen angefahren. Sie hängen. Und wir legen los. Wir stechen zu. Ich passe auf. Jedes Schwein muss gestochen werden. Gerade die, die noch zittern. Die nicht richtig betäubt wurden. Da muss es schnell gehen.

Der neue Kerl kriegt es nicht hin. Sticht daneben. Das eine Schwein zappelt wie ein Aal am Haken. Es quickt. Die sparen wieder an der Dosierung. Passiert wieder häufiger. Und wir müssen uns den Scheiß antun. Und ansehen. Ist nämlich gar nicht so angenehm, wenn man da so ein Tier panisch sieht. Die Augen sind so weit aufgerissen und die zucken. Die hoffen noch. Die glauben, die könnten sich retten.

Der Neue steht da. Wie ein Idiot.

„Du bist ein Idiot. Ein Blöder,“ werfe ich ihm gegen den Kopf. Er versteht mich nicht. Ich hätte ihn auch Arschloch nennen können.

„Pass auf,“ sage ich zum ihm. Ich schaue ihn an. Dann ziehe ich das Messer. Und verdammt. Der Neue geht zu Boden. Ich habe ihn getroffen. Sofort stürmen andere Kollegen herbei. Sie murmeln etwas. Sie schreien. Ich verstehe nichts. Ich schreie jetzt auch.

„Hilfe!“

Er hat es überlebt. Die Schutzkleidung hat ihren Zweck erfüllt. Einen tiefen Schnitt am Arm. Nicht auf Knochen. Musste genäht werden. In vier Tagen steht er wieder da. Wird ihm eine Lehre sein. Auch mir. Ich muss mehr aufpassen. Machen wir etwas zu oft, werden wir wie die Tiere. Wir machen es dann instinktiv. Das darf mir nicht passieren. Ich bin ein Mensch…