NICHT-Weihnachten

„Let it snow, let ist snow, let it snow,“ singt Amal. Auf seinem Kopf hat er so einen Haarreif mit nem Elchgeweih. Das blinkt auch. Abwechselnd in rot und weiß. Ich könnte ausflippen. Der macht mich wahnsinnig.

„Und was willst du dann Heilig Abend machen?“ will ich wissen.

„Nicht das hier. Ist ja dann Weihnachten. Nicht Nicht-Weihnachten. Und heute ist Nicht-Weihnachten. Deshalb das hier,“ verweist Amal auf den Tannenbaum mit Lametta und den Christkugeln. Die Kugeln hat er in der echten Weihnachtszeit von so einem Vorgarten abgezogen. Lametta hat er vom Weihnachtsmarkt eingesteckt.

„Und dieser Pullover. Draußen sind es 30 Grad,“ verweise ich auf Juli und auf seinen hässlichen roten Strickpulli mit nem Schneemann drauf.

„Nichts gegen Delhi,“ meint er. 

Ich verzweifle. Ich hätte mit ihm nicht Alice im Wunderland schauen sollen. Vor allem nicht auf Pilzen. Ich glaube, der ist da hängengeblieben.

„Gib mir mal was vom Schnee,“ fordere ich.

„Nur wenn du singst,“ meint Amal.

„Ich singe bald vor den Bullen,“ scherze ich.

„Dann mach ich es wie in Delhi. Ich kratze dir die Augen aus und koche sie für dich,“ behauptet Amal. Keine Ahnung, ob man das in Delhi so macht. Ich weiß einen Scheiß über Indien. Ich weiß nur, dass da verdammt viele Menschen sind. Die auch noch verdammt schlau sind.

„Wie kommt es eigentlich, dass alle Inder so tolle Jobs haben. Nur du nicht? Bist du kein Inder? Oder bist du blöde?“ frage ich ihn.

„Ich bin einfach faul,“ antwortet er mir.

„Wenn du wenigstens so nen lustigen Akzent hättest. Dann könnten wir rassistische Videos auf TikTok hochladen,“ meine ich.

„Kann ich nicht. Mir liegen Sprachen. Vor allem deutsch. Deshalb klinge ich wie einer von denen,“ meint Amal.

„Wie einer von denen? Bin ich nicht deutsch?“ will ich wissen.

„Nur auf dem Papier. Du siehst aus wie so alles in einem Topf. Deine Haut ist nicht weiß, nicht rosa. Irgendwie mehr… Da fehlt mir sogar das Wort für. Und deine Haare. Die sind weder dunkel noch hell. So farblos. Und auch deine Augen. Du bist ein farbloser Typ,“ erklärt er mir.

„Farblos,“ sinniere ich.

„Und deine Einstellung. Du weißt ja gar nichts über Deutschland. Du beschwerst dich andauernd über die Politik, über dies und das,“ fährt er fort.

„Beschwere mich,“ wiederhole ich.

„Du bist ein nichtwissender, sich beschwerender Farbloser,“ fasst Amal zusammen.

„Nicht brauchbar. Unnütz,“ meine ich.

„So kann man es auch nennen,“ meint Amal. Er lacht. Er stürzt sich auf den Schnee. Er reicht mir das Röhrchen. Ich bediene mich auch.

Eins, Zwei, drei! Drauf.

„Lass uns,“ sage ich.

Amal wirft den Haarreifen von der Stirn und zieht den Strickpulli mit dem Schneemann aus. Jetzt steckt er in nem schwarzen T-Shirt. Wie ich.

MCRIB Bitte

Ich muss mir durchs Gesicht fassen. Immer wieder. Wie ein Tick.

„Zu viel Koks, wa?“ meint Amal.

„Einfach scheiß viel Stress. Ich werde zu alt für den Scheiß,“ entgegne ich.

„Dann gehen wir nächstes Semester wieder hin?“ schlussfolgert Amal. Er grinst. Er weiß, dass es eine scheiß Alternative ist.

„Nein, vielleicht machen wir was Größeres,“ überlege ich.

„Dazu bist du zu dumm. Und mir ist es zu viel Aufwand. Wie heißt es: Schuster bleib bei deinen Leisten, oder?“ sagt Amal.

Meine Hand zittert. Nur die rechte. Ich spüre sowieso nur die rechte Körperhälfte. Als wäre die andere tot. Oder die eine doppelt lebendig. Koks und Kaffee und Aufregung. Nicht gut. Ich muss auch irgendwie kacken.

„Lass uns das schnell über die Bühne bringen,“ sage ich.

„Okay. Wie immer auf C,“ fügt Amal an.

„A,B,C,“ sage wir beide. Dann springen wir aus dem geklauten VW Polo. Ziehen uns die Nylonstrümpfe über und sind im Burgerschuppen.

Amal schießt gleich einmal in die Decke. Etwas staub bröselt herunter. Ich stelle die Tasche auf die Theke. Wir haben sofort die Aufmerksamkeit vom Dutzend Gäste und den Mitarbeitern.

„Mach das voll! Schnell,“ meine ich.

„Und das uns keiner abhaut,“ fügt Amal an.

Er schießt gegen die Auslage der Burger. Ich sehe das Einschussloch. Amal ist ein guter Schütze. Er hat mir erzählt, er wäre für 2 Jahre im Schützenverein gewesen. Fanden die erst gar nicht witzig. Aber als die merkten, wie ernst es Amal mit dem Schießen war, hatten die nur Respekt vor ihm. Einige glaubten zwar, dass er einer islamistischen Terrororganisation angehören würde. Aber das interessierte Amal nicht. Er wollte schießen. So viel es geht.

Ich kann nicht schießen. Ich habe mit Amal ein paar Mal in der Kieskuhle geübt. Klassisch auf Dosen. Ich bin ein lausiger Schütze. Habe nie getroffen. Liegt nicht in den Genen. Sonst wäre ich besser. Opa war bei der Wehrmacht. Infanterie. Hat damit geprahlt, ein guter Schütze gewesen zu sein. Das hätten die Russen zu spüren bekommen, erwähnte er bei jeder Möglichkeit.

„Aber, die meisten bestellen am Terminal,“ stottert so ein Typ vor mir hinter der Bestelltheke.

„Will ja auch die Kohle,“ meine ich. Jedes Wort lässt es unter dem Strumpf wärmer werden.

„Nein, du verstehst mich nicht…,“ stottert der weiter. Der ist aufgeregt. Der hat Angst. Der ist mir ja richtig peinlich.

„Nein, du verstehst mich nicht. Geld in die Tasche,“ sage ich.

Er öffnet die Kasse. Er steckt Scheine rein. Er wirft Kleingeld dazu.

„Alles?“ will ich wissen. Wenn das bei allen Kassen so ist, hätten wir lieber nen Dönerladen genommen. Hat uns mal 6 Tausend Euro gebracht.

„Ja, die bezahlen auch am Terminal. Mit Karte,“ stottert der Typ wieder.

„Scheiße, Scheiße Bro. Die haben hier nichts. Lass uns verschwinden,“ rufe ich zu Amal.

„Pack zwei MCRIB rein und diese Veggie-Burger,“ fordere ich vom Burgerbrater. Er hört auf mich.

Innerlich zerbricht gerade ne ganze Welt. Ich komme mir blöde vor. Wie konnten wir das nicht berücksichtigen? Wie konnten wir nicht an die Terminals denken? Unsere Rechnung war eine andere. Pro Kasse 5oo Euro. Das dann mal 6 wären schon 3 Riesen. Und dann noch der Safe. Reibach.

Aber so sieht es nach 30 Euro und ein paar Münzen pro Kasse aus. Das ist das Risiko nicht wert. Wir müssen abbrechen. Wir müssen hier schnell wieder raus.

Die Burger sind drin. Die Tasche ist zu.

„Die nehmen wir mit,“ beschließt Amal. Er zeigt mit dem Lauf auf so eine Kleine. So eine mit bunten Haaren.

„Erkläre ich dir im Auto,“ erkennt er das Fragezeichen auf meinem Gesicht. Ich setze mich nicht zu wehr. Keine Ahnung, was er mit der vor hat.

„Und schön die Fresse halten und noch still bleiben,“ brülle ich. Ich schieße auch einmal in die Decke. Da ist es schwer, nicht zu treffen. Dann verpissen wir uns.

Verschmutzter Einfluss

„Die kleine verfickte Tussi. Predigt Wasser, aber trinkt Wein,“ sagt Amal aufgeregt. Er fuchtelt mit der Knarre vor der Nase der Kleinen.

„Ist dir klar, dass wir ne Geisel haben?“ will ich wissen. Ich bin etwas wütend. Ich will meinen McRib. Mir ist heiß unter dem scheiß Strumpf. Ich habe mir das anders vorgestellt.

„Ist dir klar, was wir für ne Geisel haben?“ fragt Amal.

„Nö,“ antworte ich.

„Habe ich mir gedacht. Litza Glitza ist das. Oder auch LiGli. Deshalb die bunten Haare. Nur ihre Fresse ist mal nicht geschminkt,“ meint Amal.

Ich betrachte die Kleine im Rückspiegel. Ich weiß nicht, was LiGli sein soll. Klingt wie ne neue Krankheit. Wie etwas, dass ich nicht haben will. Sie schaut bestürzt. Sie kämpft mit den Tränen. Sie hat Angst.

„LiGli?“ sage ich.

„Echt? Immer noch nicht? Wie kommst du nur durchs Leben?“ wirft mir Amal vor.

„Erzähl schon,“ fordere ich ungeduldig.

„Freundin. Erzähl mal, was du für eine bist,“ fordert Amal von ihr.

„Influencerin,“ kommt aus ihr heraus.

„So eine auf YouTube,“ meint Amal.

„Mehr TikTok. Ich helfe meiner Community und meine Community wird mir helfen,“ wird sie jetzt selbstbewusster. Sie springt zur Tür. Sie versucht die zu öffnen. Klappt nicht. Kindersicherung. Sie versucht das Fenster runter zu lassen. Auch gesichert. Sie trommelt gegen die Scheibe. Sie schreit laut um Hilfe.

Amal macht sich lang zur Rückbank. Er holt aus und gibt der Kleinen ne Backpfeife. Sie ist sofort wieder ruhig. 

„Nicht ausflippen. Wenn du machst, was wir sagen. Bist du in ner halben Stunde wieder draußen und kannst wieder deine Scheiße spielen,“ meint Amal.

„Fickt euch,“ meint LiGli.

„Fick du dich, du kleine Bitch. Oder wie findest das deine Community, wenn wir dich mit so nem Burger ablichten? Bist du nicht gegen Fleisch und so? Was halten die von so nem Foto? Dann bist du am Arsch. Ich stopfe dir nen McRib so tief ins Maul. Du wirst den Geschmack nicht mehr los,“ droht Amal.

Ich fahre irgendwie geradeaus. Wir sind schon fast aus der Stadt. Es wird bereits grün und die Stadtautobahn wird einspurig.

„Ich habe nur Pommes gegessen,“ rechtfertigt sich LiGli.

„Ist mir scheiß egal,“ sagt Amal. Er ohrfeigt sie.

„Du Schwein,“ brüllt LiGli.

„Ich fand deinen Content schon immer Kacke. Wie kommt man nur darauf, dass jemand auf deine Meinung etwas gibt,“ meint Amal.

„1 Million Follower lügen nicht,“ behauptet LiGli.

„Alle gekauft. Und jetzt halt dein Maul,“ motzt Amal.

„Wo wollen wir hin?“ will ich von Amal wissen.

„Steuer mal die nächste Bank an,“ sagt er.

Dispo

„Und du hältst schön die Fresse, wenn wir aussteigen. Du machst, was wir dir sagen, kapiert?“ fordert Amal.

„Damit kommt ihr nicht durch,“ meint LiGli.

Wir rücken die Strümpfe zurecht. Die jucken wie Scheiße. Amal zieht die Influencerin aus dem Auto. Er schiebt sie vor die Tür der Kreissparkasse.

„Steck deine verdammte Karte rein,“ fordert er.

Sie wühlt in der Vordertasche ihres Hoodies. Dann zieht sie ein iPhone raus. Dahinter ist die EC-Karte.

„Fuck, das hatte die die ganze Zeit dabei?“ will ich wissen.

„Fuck, da habe ich nicht dran gedacht,“ meint Amal.

„Fuck, damit können die uns orten! Die sind uns bestimmt schon auf der Spur!“ sage ich. Ich werde panisch.

„Fuck,“ meint Amal. Er reißt LiGli das iPhone aus der Hand. Er schmeißt es auf den Boden. Er springt drauf.

LiGli schaut uns an. Sie will uns töten. Sie kann es nicht.

„Beeil dich,“ sagt Amal. Dann stehen wir in der Bank. Ist niemand drin. Nur wir und zwei Automaten. Wir stehen vor einem. Sie steckt ihre Karte rein.

„Wird euch nicht gefallen,“ meint die Influencerin.

Sie meint den Kontostand. Der gefällt uns auch nicht. Sie ist im Dispo. Mit 200.

„Du bist ein fucking Star,“ wirft ihr Amal vor.

„Geht alles gleich ab. ETFs und so. Zukunft halt,“ erklärt sie. Sie grinst.

„Du Schlampe,“ rastet Amal aus. Er will auf sie los. Er hat die Knarre in der Hand. Ich weiß nicht, ob er sie abknallen oder damit verprügeln will. Ich finde beides kacke.

„Beruhig dich,“ halte ich ihn fest. Keinen Bock auf nen Mord.

„Die ist so scheiße,“ meint Amal. Er ist den Tränen nahe.

„Heb ab, was geht,“ fordere ich jetzt. Sie kriegt keine 300 Euro. Sie gibt mir die Scheine. Amal tritt ihr vors Schienbein. Sie geht zu Boden. Sie weint jetzt.

„Schnell, die haben uns bestimmt auf Kamera,“ meint Amal und wir stürmen aus der Bank. Die LiGli lassen wir liegen.

Wir hören schon Sirenen. Dann sitzen wir im Polo. Ich drücke aufs Gas. Da stehen sie vor uns. Polizeiwagen. Sehr viele davon. Ne Straßensperre.

„Drück rauf. Drück rauf. Fahr da durch. Die weichen aus,“ will Amal wissen.

„Stopp,“ sage ich. Ich bremse. Wir schauen in Dutzende Bullen. Alle haben ihre Knarre auf uns gereichtet. Ich hebe die Hände in die Luft.

„Wir sind am Arsch,“ erkennt Amal. Auch er hebt die Hände.

Echtes Weihnachten

Amal steht vor der JVA. Er lehnt cool an seinem Benz. Er hat wieder diesen hässlichen Pullover mit dem Schneemann an. Er ist schon seit nem Jahr draußen. Keine Ahnung, wie er das angestellt hat. Keine Ahnung, warum er nicht ausgewiesen wurde. Keine Ahnung.

„Jetzt immer NICHT-Weihnachten?“ frage ich in Anspielung auf die hässliche Klamotte.

„Nein, jetzt nur noch zu Weihnachten,“ erklärt er mir. Ich spüre die Kälte. Noch zwei Wochen bis Heilig Abend. Und es wird eine kalte weiße Weihnacht.

Ich steige ein. Wir fahren in den Industriepark. Amal hält vor einem Bürokomplex.

„Schnell. Ist so verdammt kalt hier,“ sagt er und steigt aus. Er rennt zum Eingang. Ich hinterher. Ich kann die freie Luft nicht genießen. Schon bin ich in einem Fahrstuhl.

„Wie fühlt es sich an?“ will Amal wissen.

„Die Freiheit?“ will ich wissen.

„Ja,“ meint Amal. Er strahlt.

„Ehrlich, ich dachte wir fahren in irgendeinen Club. Was trinken. Vielleicht lässt du auch ne Professionelle für mich springen,“ sage ich.

Amal grinst. Die Tür zum Fahrstuhl geht auf. Amal geht schnell an kleinen Büroinsel mit Monitoren, Tastaturen und Yuccapalmen vorbei. Alles sieht gleich aus. Ich habe die Orientierung verloren.

„Was willst du hier überhaupt?“ frage ich.

„Mein neuer Job. IT. Dachte, das passt,“ lacht er. Wir setzen uns an einen Rechner. Er gibt irgendetwas ein. Dann steckt er einen Stick in den Port. Er tippt wieder.

„Und hier arbeitest du? Kriegst du nicht auf den Sack, wenn du nen Ex-Knacki mitnimmst?“ will ich wissen.

„Bin ich auch. Und nein, ich arbeite hier nicht. Also nicht für den Schuppen. Das, was wir gerade machen ist mein neuer Job,“ sagt er.

„Wie?“

„Datenklau und nen netten Trojaner. Die sind ein Zulieferer in der Autoindustrie und du hast ja gesehen, wie leicht wir hier rein sind. Genauso schnell bin ich auch in deren Netzwerk,“ meint Amal. Er zieht den Stick ab.

„Was? Und dann nimmst du mich mit?“ frage ich.

„Was denn sonst? Was willst du sonst machen? Zurück zur Uni?“ meint Amal.

Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich habe im Knast lieber gewichst und schlechte Bücher gelesen. Dreieinhalb Jahre im Bau und nichts gemacht. Nur herumgehangen. Nicht aufgefallen und Angst beim Duschen gehabt.

„Und was springt da raus?“ frage ich.

„Mal schauen. Für Zerstören sind es schon ein paar Scheine, aber für richtige Geheimnisse soll es richtig Kohle regnen,“ erklärt Amal.

„Also noch kein Geheimnis gelüftet,“ schlussfolgre ich.

„Dafür brauche ich ja dich. Du bist mehr so der Nachdenkliche. Ich handele,“ schmiert er mir Honig um Maul. Amal ist in beidem besser. Im Handeln und im Schlausein.

Wir sitzen wieder in Amals Benz. Er klopft sich auf die Brust. Da in der Tasche ist der Stick. Er ist stolz.

„Wie bist du darauf gekommen?“ will ich wissen.

„Mir ging diese verfickte Influencerin nicht aus dem Kopf. Wegen der blöden Tussi mussten wir einsitzen. Da wollte ich mich rächen. Dann habe ich halt im Knast so ein bisschen IT gelernt und draußen brachte mich Fachkräftemangel zu so einem IT-Dienstleister. Hatte also einen Job und konnte weiter IT lernen. Und mich bei der Alten rächen. Hab ihren ganzen Account lahm gelegt. Erst darüber Scheiße verbreitet und dann das Profil gekillt. Die ist so raus. Die kennt keiner mehr. Würde mich nicht wundern, wenn sie sich umgebracht hätte. Und ich habe dann Kontakte geknüpft. Jetzt krieg ich dafür bei den richtigen Kohle,“ sagt Amal stolz.

„Du bist krass,“ meine ich.

„Böse und nachtragend,“ fügt er hinzu.

„Warum haben die dich eigentlich nicht abgeschoben?“ will ich wissen.

„Du weißt wirklich gar nichts über mich,“ meint Amal. Er schüttelt mit dem Kopf.

„Wie lange haben wir zusammen in der WG gewohnt?“ will er wissen.

„Bestimmt 3 Jahre.“

„Und da hast du nie meinen Perso gesehen?“

Ich kann mich tatsächlich an keinen Ausweis erinnern. Ich bin ein mieser Mitbewohner.

„Du bist deutsch?“

„Ja, so wie du. Habe mit 19 hier gleich eine geheiratet. Paula. Die ist nach drei Jahren gestorben. Ganz tragisch. Beim Wandern abgerutscht. Lief sogar bei RTL. War schwer,“ berichtet Amal.

„Du warst dabei?“

Er nickt.

„Scheiße, tut mir leid.“

Amal hält vor der Pflaume. Eine Tabledance-Bar. Die Mädels machen hier auch gern mehr.

„Ich lade dich ein,“ sagt er.

„So habe ich mir das vorgestellt,“ lache ich.

Ich bin vor Amal in der Bar. Es ist noch nicht viel los. Wir setzen uns an einen Tisch.

Die Tänzerinnen sind alle als Weihnachtsengel verkleidet. In Weiß. Mit Flügeln. Enge kurze Kleider und dünne weiße Strümpfe. Ich habe jetzt schon nen Steifen.

„Das volle Programm für uns und für meinen Freund bitte doppelt,“ ruft Amal irgendjemanden zu.

Zwei Mädels holen mich ab. Sie schieben mich in einen abgetrennten Raum. WHAM läuft.

Sie drücken mich auf einen Sessel. Sie tanzen. Sie reiben sich an mir. Ich würde die jetzt gern überfallen.

Eine schaut mir direkt in die Augen. Ich kenne sie. Und sie kennt mich. LiGli. Der gefallene Engel. Sie greift mir sofort an die Kehle. Sie drückt mit beiden Händen zu.

„Das ist der eine,“ sagt sie zu ihrer Kollegin. Die drückt jetzt auch. Ich will aufstehen. Aber die sitzen jetzt auf mir. Die drücken weiter. Ich schlage um mich. Aber zu schwach. Die drücken. Und drücken. Und drücken. George Michael singt im Hintergrund Last Christmas.